Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB)* hat in seiner Sitzung am 27.10.2004 in Berlin eine Stellungnahme zum Entwurf des Berufsbildungsreformgesetzes beschlossen.
Die Stellungnahme im Wortlaut:
"Stellungnahme des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung zum Entwurf eines Berufsbildungsreformgesetzes
Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung begrüßt eine Novellierung des Berufsbildungsrechts, soweit sie zur Modernisierung und Flexibilisierung der beruflichen Bildung bei Wahrung der rundlegenden Strukturen des dualen Systems, zur Internationalisierung der Aus- und Weiterbildung sowie zur Vereinfachung von Verwaltungs- und Gesetzesstrukturen beiträgt. Der Entwurf des Berufsbildungsreformgesetzes der Bundesregierung trägt diesen Zielen zum Teil Rechnung. Abgelehnt werden Änderungsvorschläge, die die betriebliche Ausbildung gefährden und zu einer Loslösung der beruflichen Bildung vom Beschäftigungssystem führen.
Der Hauptausschuss des BIBB hat mit Mehrheit folgende Positionen zur Reform des Berufsbildungsrechts verabschiedet:
1. Gleichstellung von schulischen Bildungsgängen mit dualen Ausbildungsabschlüssen in Abstimmung mit der Wirtschaft
Wenn es angesichts der aktuellen und mittelfristig bestehenden Knappheit an betrieblichen Lehrstellen notwendig erscheint, den Erwerb anerkannter Berufsabschlüsse über schulische Bildungsgänge zu ermöglichen, so sollte dies orientiert am jeweiligen Bedarf befristet werden. Entscheidungen über die Gleichstellung von Bildungsgängen müssen im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen und Sozialpartnern getroffen werden.
Entscheidend ist die inhaltliche und zeitliche Gleichwertigkeit des schulischen Bildungsganges mit einem anerkannten Beruf nach dem BBiG oder der HwO und die Einbeziehung betrieblicher Praxis.
2. Keine gesetzliche Anordnung von regionalen Berufsbildungskonferenzen
Die Schaffung neuer Gremien für die Organisation der Beruflichen Bildung wird abgelehnt: Die im Gesetzentwurf vorgesehenen regionalen Berufsbildungskonferenzen sind nicht erforderlich, da deren Aufgaben von bestehenden Gremien und Institutionen - beispielsweise von den Landesausschüssen für Berufsbildung und den zahlreichen freiwilligen Koordinierungsgremien der beruflichen Bildung in den Regionen - wahrgenommen werden können. Die Akteure der Berufliche Bildung kooperieren auch ohne gesetzliche Vorgaben im Bewusstsein ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Bildungschancen der Jugendlichen.
3. Alleiniges Stimmrecht von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Berufsbildungsausschuss
Die Einführung eines eigenständigen Stimmrechts der Vertreter der Berufsschulen im Berufsbildungsausschuss ist nicht sachgerecht: Entscheidungen des Berufsbildungsausschusses berühren betriebliche Belange der Ausbildung und werden daher ausschließlich von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getroffen. Lehrkräfte an Berufsschulen bringen ihre Iteressen durch Präsenz im Berufsbildungsausschuss ein und nehmen damit
Einfluss auf die Meinungsbildung. Eine über die Beratungsfunktion hinausgehende Rechtsposition der Lehrkräfte ist nicht notwendig.
4. Übertragung von Zuständigkeiten auf die zuständigen Stellen
Zur Verwaltungsvereinfachung wird eine Übertragung der Kompetenzen bei der Überwachung der Berufsausbildung von den nach Landesrecht zuständigen Behörden auf die nach dem BBiG zuständigen Stellen gefordert. Die zuständigen Stellen können Verwaltungsentscheidungen im Rahmen der Überwachung der Berufsausbildung aufgrund ihrer größeren Sachnähe zu den Betrieben einfacher und schneller treffen als Landesbehörden. Die Berufsbildungsausschüsse der zuständigen Stellen könnten über die Ausübung der Überwachungsaufgaben durch den Erlass von Verwaltungsrichtlinien mitbestimmen. Die Rechtsaufsicht der
Landesbehörden über die Wirtschaftskammern bliebe bei einer Zuständigkeitsübertragung bestehen.
5. Straffung der Gremienstruktur des Bundesinstituts für Berufsbildung
Die Organisationsstrukturen des Bundesinstituts für Berufsbildung sollten insgesamt ge-strafft und effizienter gestaltet werden. Die Verkleinerung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung wird grundsätzlich begrüßt. Um allen Ländern eine direkte oder über Stellvertreter vermittelte Beteiligung an der Arbeit im Hauptausschuss zu ermöglichen, sollten je acht Vertreter pro Bank vorgesehen werden. Für ordnungspolitische Entscheidungen sollte ein ständiger Unterausschuss mit Entscheidungskompetenzen mit je drei Vertretern pro Gruppe den bestehenden ständigen Ausschuss ersetzen.
Die Einrichtung eines wissenschaftlichen Beirats wird abgelehnt, da hierfür kein Bedarf gesehen wird. Es ist nicht erkennbar, welchen Mehrwert ein kostenintensives zusätzliches Gremium für die Arbeit des BIBB haben soll.
Die Dienstleistungsfunktion des BIBB auf dem Gebiet der Ordnungsarbeit sollte Priorität vor der Forschungsaktivität haben. Hierzu bedarf es einer neuen gesetzlichen Aufgabenbeschreibung des BIBB. Im Rahmen der Forschungsaktivität sollte das BIBB die Erprobung neuer Methoden, Inhalte und Strukturen durch Beratung unterstützen und wissenschaftlich begleiten.
6. Mehr Gestaltungsspielraum für die Entwicklung und Erprobung neuer Ausbildungsberufe
Die Länder sollen die Möglichkeit erhalten, in Abstimmung mit den Spitzenorganisationen der Sozialpartner den Erlass von Rechtsverordnungen durch den Bund zur Erprobung neuer Ausbildungsberufe beantragen zu können. Diese Regelungen sind zu befristen. Die Erprobung muss wissenschaftlich begleitet werden. Bei positivem Ergebnis fließen die Regelungen in das gesetzlich vorgesehene Anerkennungsverfahren für eine bundesweite Einführung ein.
7. Teilzeitausbildung für erziehende und pflegende Personen
Mütter und Väter, die die Erziehung ihrer Kinder übernehmen sowie Personen, die nahe Angehörige pflegen, können dies aus zeitlichen Gründen oftmals nicht mit einer vollzeitlichen qualifizierten Berufsausbildung verbinden. Eine Berufsausbildung sollte auch in Teilzeitform (tageszeitliche Verkürzung der Ausbildungszeit) auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes durchgeführt werden können. Je nach Umfang der tageszeitlichen Verkürzung ist eine Verlängerung der Gesamtausbildungszeit geboten. Zur rechtlichen Sicherstellung ist eine entsprechende Regelung in das Berufsbildungsgesetz aufzunehmen.
8. Internationalisierung der Ausbildung / Bildungspass
Politisch und wirtschaftlich nähern sich die europäischen Staaten immer mehr einander an. Dies macht es erforderlich, die wirtschaftlichen, kulturellen und beruflichen Unterschiede zu kennen und auch anzuerkennen.
Der Hauptausschuss des Bundesinstitutes für Berufsbildung begrüßt daher grundsätzlich die Regelung zur Ableistung von Ausbildungsteilen im Ausland. Als weiterer Schritt für den Nachweis von im Ausland erworbener Qualifikationen ist die Einführung eines europaweiten Bildungspasses sinnvoll. In diesem Bildungspass sind alle relevanten beruflichen Qualifikationen der beruflichen Bildung aufzunehmen."
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* Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung ist ein viertelparitätisch mit Beauftragten der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der Länder und des Bundes besetztes Gremium. Er hat die gesetzliche Aufgabe, die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Berufsbildung zu beraten.
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